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Repair Café Berlin: Reparier’s Doch Mal!

Inga Raspe

Reparieren lohnt sich nicht? So etwas wollen wir in Zukunft nicht mehr hören. Mit ein bisschen Hilfe kannst du nämlich viel mehr Dinge selber reparieren, als du dir vielleicht zutraust.

Wir stellen die Initiative „Repair-Café“ vor, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Reparieren zum Trend zu machen. Alle wichtigen Fragen beantwortet uns Elisa Garrote. Sie hat das Berliner Repair-Café in Kreuzberg gegründet.

greenality: Was treibt euch an, das Konzept „Repair-Café“ zu verbreiten?

Elisa: Für uns gibt es mehrere Punkte, die wichtig sind. Wir wollen einerseits die Menge an gekauften Produkten reduzieren, also natürlich auch die Menge an Elektroschrott. Und andererseits wollen wir ein Bewusstsein für Probleme wie geplante Obsoleszenz schaffen. Was uns besonders am Herzen liegt, ist etwas am Bewusstsein der Leute zu ändern. Der Konsum bringt immer auch eine Verantwortung mit sich, das nehmen die meisten Menschen aber gar nicht so wahr. Und auch, was die Kultur des Teilens angeht und den Nachbarschafts- und Mehr-Generationen-Dialog, möchten wir mit dem Repair-Café in Berlin einen Beitrag leisten.

greenality: Wenn man Dinge selbst repariert, verfällt meist die Garantie. Ist das nicht risikoreich?

Elisa: Wir empfehlen den Leuten, erst mal die Geräte zurück ins Geschäft zu bringen, wenn sie noch Garantie haben. Wir reparieren im Prinzip nur Dinge, die keine Garantie mehr haben.

greenality: Produkte von Apple haben einen sehr komplexen Aufbau. Zumindest für den Laien stellt die Reparatur solcher Produkte jedenfalls eine schwierige Aufgabe dar. Das schreckt natürlich ab. Kann man solche Produkte mit eurer Hilfe trotzdem reparieren?

Elisa: Ja, mit Hilfe unserer iDoc-TechnikerInnen kann man zum Beispiel iPhones reparieren, da sie darauf spezialisiert sind und Ersatzteile dafür mitbringen. Die Ersatzteile sind dann sogar mit Repair-Café Rabatt! Es gibt mittlerweile auch Online-Anleitungen, mit denen man lernt, wie man selber diese Produkte reparieren kann.

Tutorials gibt es mittlerweile für alles. Zum Glück aber auch für sinnvolle Dinge. Hier kann man sich zum Beispiel eine Anleitung dazu ansehen, wie man ein iPhone Display auswechelt.

Elisa: Wenn man sich nicht alleine traut, ist das Repair-Café der perfekte Ort, um es zu versuchen, weil man hier Hilfe bekommt und das entsprechende Werkzeug für die Reparaturen.

greenality: Sollte man grundsätzlich beim Neukauf darauf achten, dass Produkte leicht zu reparieren sind?

Elisa: Auf jeden Fall! Wenn wir stabile Geräte kaufen, die länger halten, vermeiden wir automatisch Abfall und sparen wertvolle Ressourcen. Oft gibt es schon das technische Wissen, um die Geräte langlebiger herzustellen, aber es mangelt von Seiten der Hersteller an der Bereitschaft, dies umzusetzen.

Elisa’s Tipps, worauf ihr beim Kauf neuer Geräte achten könnt:

  1. Man sollte das Gerät auseinander nehmen können, ohne das Gehäuse zu zerstören. Deswegen ist es immer gut, wenn Schrauben verwendet werden.
  2. Die Akkus sollte man auswechseln können. Diese gehen oft schneller kaputt als die Geräte selbst, da die Lebensdauer eines Akkus relativ kurz ist.
  3. Versucht, vor dem Einkauf herauszufinden, ob man für das Gerät Ersatzteile kaufen kann. Ist zum Beispiel der Bildschirm beim Handy auswechselbar etc.?
  4. Kauft Dinge mit weniger Schnickschnack. Je mehr Komponenten und Knöpfe, desto mehr Sachen können auch kaputt gehen.

Elisa: Manchmal ist es aber nicht so einfach, Dinge ohne viel Schnickschnack zu finden. Ich selbst wollte einen ganz einfachen Drucker für mein Büro kaufen. Am besten hätte ich einen gekauft, der nur schwarz-weiss druckt, aber leider gab es so etwas nicht und wenn man nur die schwarze Patrone hat, funktioniert der Drucker nicht.

greenality: Du hast vorhin schon einmal die geplante Obsoleszenzangesprochen.  Unternehmen würden gezielt nur auf mittelfristige Haltbarkeit hin ihre Artikel produzieren, damit anschließend neu gekauft wird. Die Stiftung Warentest kann dies aber nicht belegen. Lässt eure Erfahrung es trotzdem vermuten?

Elisa: Der Absatz von Elektro- und Elektronikgeräten ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen und die Tendenz zur Entwicklung von Geräten mit kürzerer Lebensdauer, die oft schon kurz nach Ablauf der Garantiezeit kaputt gehen, steigt leider auch. Das Problem des geplanten Verschleißes, das heißt eine bewusst eingebaute, schnelle Alterung der Geräte, wird für alle durch die aktive Teilnahme in unserem Repair-Café erkennbar.

Unsere TechnikerInnen helfen dabei, dieses Problem verständlicher zu machen, zum Beispiel im Fall der Kondensatoren. Oft kommen TeilnehmerInnen mit kaputten Bildschirmen, bei denen man nach einer kurzen Inspektion sehen kann, dass die Kondensatoren nicht in Ordnung sind. Sie sind abgebrannt oder haben eine Beule.

Einer der Techniker des Repair-Cafés erklärt:

Obwohl jeder Ingenieur weiß, dass Kondensatoren hitzeempfindlich sind, sitzen sie genau an den Stellen, die besonders heiß werden. Deshalb vermuten manche, dass die Hersteller das absichtlich machen.

Elisa: Mir fällt auch noch ein anderes übliches Beispiel ein: Viele TeilnehmerInnen bringen einen DVD- oder CD-Spieler mit, bei dem sich das DVD-Fach nicht mehr öffnet, wo jedoch der Motor und alles andere durchweg funktioniert. Wenn wir das Gerät dann auseinandernehmen, sehen wir, dass das Gummi zwischen zwei Zahnrädern abgenutzt ist und es keinen Druck mehr ausübt, um das DVD-Fach zu öffnen. Der Gerätehersteller hätte einfach ein besseres Gummi einsetzen können, wodurch das Gerät länger gehalten hätte. Oder er hätte offener kommunizieren sollen, dass dieses Gummi günstig ausgetauscht werden kann, wenn das DVD-Fach sich nicht öffnen lässt.

greenality: Euer berliner Repair-Café ist in guter Gesellschaft. Vernetzt ihr euch mit anderen Repair-Cafés der Stadt?

Elisa: Ja, wir sind mit anderen Cafés vernetzt, wie zum Beispiel mit dem Café in Schöneweideoder mit dem im Soldiner Kiez. Wir helfen uns gegenseitig mit Öffentlichkeitsarbeit, Werkzeug, Erfahrungsaustausch oder der Erstellung unserer Werbematerialien. Aber vor allem ist unser Träger, Kunst-Stoffe e.V., seit sehr vielen Jahren mit ganz unterschiedlichen lokalen Nachhaltigkeits-Initiativen in Berlin vernetzt. Ohne den Verein hätten wir nicht so schnell unsere gute Gesellschaft gefunden.

greenality: Gesucht sind auch immer Initiatoren für neue Repair-Cafés. Wie lief denn die Gründung von eurem Repair-Café in Berlin ab?

Elisa: Für die Organisation unseres ersten Repair-Cafés Anfang 2013 holten wir uns Unterstützung von der Stiftung „Stichting Repair-Café“. Sie schickten uns ein „Startpaket“ mit Tipps, Logo, rechtlichen Hinweisen und Vorlage für Flyer oder Pressemitteilung, die wir für unser Anliegen angepasst haben. Damit spart man sich viel Arbeit und ist automatisch Teil eines Bundes-und europaweiten Netzwerks. Gute Netzwerke sind sehr wichtig und auch die Presse hat uns sehr geholfen, die Idee zu verbreiten.

Da es das Erste Repair-Café in Berlin war, war die Resonanz sehr hoch und JournalistInnen, TeilnehmerInnen oder „ExpertInnen“ haben uns sehr schnell gefunden und das Repair-Café auf die eine oder andere Art unterstützt.

greenality: Braucht Berlin überhaupt noch neue Repair-Cafés? Momentan sind es schon zehn Stück an der Zahl.

Elisa: Zehn Repair-Cafés sind gar nicht so viele für eine Stadt mit ca. 3,5 Millionen Menschen. Vor allem, wenn man bedenkt, wie viele kaputte Dinge noch unnötig weggeschmissen werden.

Wir hoffen, dass das Reparieren mehr und mehr zum Trend wird, aber wollen auch, dass man nicht immer das Werkzeug dafür kaufen muss. Vor allem Spezial-Werkzeug, das man nur einmal im Leben nutzen wird.

Und das Repair-Café hat auch eine sehr starke soziale Komponente, die man oft vergisst. Viele Leute kommen, weil sie mit anderen Menschen gemeinsam reparieren wollen. Manchmal kommen sie schon mit Werkzeug und einer Anleitung aus dem Internet, aber wollen nach der Arbeit nicht alleine zu Hause bleiben und zwei Stunden lang reparieren. Gemeinsam macht es mehr Spaß und man lernt auch von den Nachbarn und ihren kaputten Dingen. Ein neues Repair Café in Berlin schadet also nicht.

greenality Wo gibt es in Berlin oder im berliner Umland noch konkreten Bedarf für weitere Cafés?

Elisa: Ich denke, wo Leute leben und es kein Repair-Café gibt, gibt es Bedarf. Ganz einfach. Auf der Karte der Stiftung Anstiftung gibt es auch eine schöne Übersicht, wo man sehen kann, wie die Repair-Cafés genau verteilt sind.

greenality Werft ihr noch Dinge weg?

Elisa: Wir reparieren durchschnittlich im Repair-Café Kreuzberg zwischen 60 und 70% der Geräte, die wir bekommen. Was nicht repariert wird, wird leider meistens entsorgt.

greenality: Prinzipiell ist das Repair-Café eine Non-Profit-Organisation. Hilfe beim Reparieren kann also erst einmal jeder kostenlos in Anspruch nehmen. Kommt es da hin und wieder vor, dass das Konzept Repair-Café falsch verstanden, beziehungsweise ausgenutzt wird?

Elisa: Ja, leider schon. Wir müssen immer wieder einigen Leuten erklären, dass wir kein Reparaturdienstleiter sind und die Reparaturen soweit wie möglich vom Besucher selbst durchgeführt werden. Aber wir haben unsere AGB, damit sind die Leute über das Konzept informiert und einverstanden oder sonst gehen sie wieder.

greenality: Repair-Cafés – die kostenlose Alternative zum Reparaturservice? Wird den berliner Reparatudiensten die Kundschaft streitig gemacht?

Elisa: Ich denke nicht, dass die Repair-Cafés kostenlos sind. Man investiert eine gute Menge Zeit und Geduld, weil die Reparaturen mit Anleitung und Hilfe unserer ExpertInnen von den BesucherInnen selbst durchgeführt werden. Im Reparaturservice muss man stattdessen Geld bezahlen. Ich würde sagen, dass unsere Zielgruppe eine ganz andere ist und wir uns sehr gut ergänzen könnten. Aber viele Reparaturservices haben Angst, dass wir ihnen die Arbeit klauen.

In Kreuzberg kooperieren wir mit unseren Nachbarn von iDoc. Die machen über uns Werbung für die Firma und wir bekommen dafür einen Reparatur-Experten und Werkzeug zur Verfügung gestellt.

greenality: In Deutschland werden Repair-Cafés von der Stiftung „Anstiftung“ gefördert. Wie weit reicht diese Unterstützung und was kommt davon konkret bei euch in Berlin an?

Elisa: Sie haben die Rolle der Holländische Stiftung „Stichting Repair-Café“ übernommen und arbeiten daran, die Cafés in Deutschland stärker zu vernetzen. Ab 2015 wird voraussichtlich eine neue Plattform entstehen, auf der man das eigene Café präsentieren kann und wo es ein Forum zum Austausch geben wird. Wenn die Repair-Cafés besser vernetzt sind, können sie mehr Einfluss auf politische Entscheidungen etwa im Bereich der Produktherstellung nehmen.

greenality: Das Konzept lebt von ehrenamtlichen Helfern mit dem nötigen Know-How. Nur wie sicher müssen sich Helfer ihrer Sache sein? Wenn eine Reparatur einmal daneben geht, wie wird dann damit umgegangen?

Elisa: Das Repair-Café bringt Hilfe zur Selbsthilfe. Das Gelingen der Reparaturen hängt natürlich vom eigenen Geschick ab und wenn man Hilfe von anderen in Anspruch nimmt, geschieht das auf eigenes Risiko. Damit erklären sich die Besucher zu Beginn durch die Unterschrift unserer AGBs einverstanden.

greenality: Wie kann man sich auch mit zwei linken Händen einbringen?

Elisa: Es geht wie gesagt auch darum, eigene Grenzen zu überwinden. Aber wenn sich mal Jemand gar nicht traut, kann er oder sie immer noch anderen helfen, wenn es beispielsweise darum geht, etwas beim Reparieren festzuhalten.
Manchmal hat man das Gerät aufgemacht und kann ohne vieles zu wissen das Problem suchen und mit Glück auch finden. Oft ist einfach nur ein Gummi ausgeleiert, ein Kabel gebrochen oder das Gerät hat eine kalte Lötstelle bekommen. HelferInnen und andere TeilnehmerInnen geben Tipps dafür.

Ein tolles Konzept, das vielleicht unser Konsumverhalten verändern könnte. Reparieren lohnt sich nicht? Für die Umwelt schon!

Wer mitmachen will, findet alle Informationen zu Elisa’s Repair-Café auf www.kunst-stoffe-berlin.de


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